Südtirol – eine etwas andere Filmförderung

Vor zwei Jahren machte sich die kleine italienische Provinz Südtirol auf, die große Filmwelt zu erobern. Dieses scheinbar aussichtslose Unterfangen trägt inzwischen Früchte. Dabei spielen eine Vielzahl von Faktoren zusammen: eine konsequente strategische Ausrichtung, die Brückenfunktion zwischen Italien und Deutschland, herrliche Landschaft und nicht zuletzt der Mut, umfangreiche Fördergelder bereit zu stellen.

Südtirol war, wie fast alle Regionen in Europa seit dem 2. Weltkrieg, Schauplatz von Dreharbeiten. Hollywood drehte 1952 in den Bergen die Außenaufnahmen zu „Ivanhoe“ mit der jungen Elisabeth Taylor. Es folgten Roman Polanski, Pier Paolo Pasolini und andere. Seit 2009 aber nehmen die Produktionen systematisch zu. 2012 werden vermutlich über 20 Filmprojekte in der Region gedreht werden. Dies ist die Folge einer konsequenten Neuausrichtung der regionalen Filmförderung.

Zielsetzung der Filmförderung ist die Etablierung einer eigenen Filmszene. Damit ist, anders als in Deutschland, die Filmförderung Teil der Wirtschaftsregion BLS, Business Location Südtirol. Damit folgt die Förderung einer ökonomischeren Sichtweise. Die Serviceleistungen und Förderverfahren sind durchaus vergleichbar zu deutschen Institutionen. Doch die Zielsetzung wird primär unter ökonomischen Gesichtspunkten verfolgt. Die schlägt sich in den unterschiedlichen Prozessebenen nieder.

So erfolgt die Filmauswahl für die Förderung nicht nach künstlerischen Aspekten. Diese sind bedeutsam, aber im Mittelpunkt bei der Bewertung eines Projektes steht der Umstand, wie sehr dieser den Filmstandort nach vorne bringen kann. Der ökonomische Aspekt wird dabei sehr genau geprüft. Aber auch Imagewirkung eines Projektes – gerade auch mit Blick auf Fachpresse und Filmszene – ist bedeutsam. Hinzu kommen aber auch klassische Aspekte wie Buch und Story.

Die – auch in anderen Förderungen übliche – Forderung des Territorialeffektes bedeutet für Südtirol, dass zu den ca. fünf Millionen € Fördergeldern weitere 7,5 Millionen € in der Region verbleiben. Dies hat bereits jetzt zur Folge, dass sich zunehmend Spezialisten vor Ort bilden. Die Wirkung kann man auch daran ermessen, so Christina Wertz von der Film Commission Südtirol, dass inzwischen auch Dienstleister aus Rom mit Dependancen präsent sind.

Diese Strategie ist langfristig angelegt und wird von der Bevölkerung mitgetragen. Die Arbeit der Filmförderung steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit, was angesichts der örtlichen Gegebenheiten nicht verwundert. Die Menschen sind neugierig und geben unmittelbar ihr Feedback ab. Der Erfolg und die Vielzahl an Projekten, die sich teils im Kino, teils im Fernsehen wieder finden, stärken das Image der BLS und verstärken wiederum den Erfolg. Hier ist auch der Stolz darauf spürbar, dass die Region weit in Italien und im deutschsprachigen Raum gezeigt wird. Die Binnenwirkung, die von solchen Dreharbeiten ausgeht, greift auch hier bei den Menschen.

Etwas überraschend hat das Location Placement dabei keine erste Priorität. Hier sind Tourismusmarketing und Wirtschaftsförderung getrennt. Die Effekte auf den Tourismus sind gerade in den kleinen Tälern direkt spürbar. So ist die Serie „Un Passo Dal Cielo“, die mit Terence Hill erfolgreich im italienischen Fernsehen läuft, für das Pragser Tal ein Glücksfall. Doch eine Kooperation zwischen den beiden Feldern gibt es nicht. Dies hat für Christina Wertz auch Vorteile. Eine touristische Ausprägung, wie sie Cine Tirol verfolgt, schafft keine filmische Infrastruktur. Dies widerspricht aber gerade dem Gedanken, den die BLS verfolgt.

Dass gleichwohl Südtirol die eigenen Geschichten in Filme bringen will, zeigt das Projekt „Raconti“. Es kann fast prototypisch dafür gesehen werden, wie man einen Teilbereich der Filmförderung hier stark auf die eigene Region beziehen kann. Bei dem Mentorenprogramm zur Entwicklung von Filmstoffen werden gezielt Stoffe gefördert, die einen Bezug zu Südtirol haben und dort spielen. Dabei sollen die zehn Stoffe, die geplant sind, so weit entwickelt werden, dass sie produktions- und vermarktungsreif sind. So spiegeln sich die unterschiedlichen Aspekte der Südtiroler Filmförderung auch hier wieder: regionaler Bezug, finanzielle Förderung, vor allem aber eine langfristige Sichtweise.

More...

o.kettmann Oktober 6, 2012 Allgemein