Orte, die es nicht gibt

Geschichten erzählen immer von Orten. Manche Orte werden auf diese Weise äußerst populär, wie in diesem Blog immer wieder berichtet wird. Es gibt aber auch Orte, die werden populär, ohne dass sie wirklich existieren. Damit ist nicht nur das Zauberland Oz aus dem berühmten Musical gemeint. Es gibt auch Orte mit einem hohen Realitätsbezug, die es gleichwohl in Wirklichkeit nicht gibt. Bei meinen Weihnachtsorten hatte ich schon Bedford Falls erwähnt. Bis in die 50er Jahre wurden in Hollywood teils unter großem Aufwand die Kulissen in Studios aufgebaut und auf Außenaufnahmen verzichtet.

Casablanca - Ricks Cafe 2006

Aus diesem Grund und weil Marokko im Gegensatz zu heute seinerzeit unerreichbar für die Filmemacher war, existiert auch ein weiterer legendärer Ort nicht: Ricks Café in Casablanca. Das Setting ist tadellos. Die Bar des legendären Zynikers ist perfekt gestaltet und dürfte in vergleichbarer Form in vielen Orten gelegen haben, die vom kolonialen Stil der Franzosen oder Engländer geprägt sind. Das Intérieur ist stimmig gestaltet – von der Bar und Garderobe über die Platzierung der Tische bis hin in den rückwärtigen Bereich, im dem zu gespielten Entsetzen Reynauds Glücksspiel betrieben wird. Natürlich konnte Michael Curtiz nicht vor Ort drehen, zumal kriegsbedingt Warner im Frühjahr 1942 bereits Abstriche bei seinen Produktionen machen musste. So war es das Atelier Acht auf dem Studiogelände, in dem das Café aufgebaut wurde. Interessanterweise dauerte es dann über 60 Jahre, bevor eine amerikanische Diplomatin vor Ort ein Café im Stile des Filmes eröffnete und damit eine Sehenswürdigkeit schuf, die inzwischen zum Pflichtprogramm jedes Touristen gehört.

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Ein weiterer Ort feiert zurzeit in Großbritannien sensationelle Quotenerfolge: 212b Baker Street, der Wohnort des legendären Detektiven Sherlock Holmes, der im ausgehende 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Fällen löste. Seit die BBC ihn in die Neuzeit verlegte und Benedict Cumberbatch ihn ebenso schräg interpretiert wie John Lee Miller in der US-Version „Elementary“, ist das Interesse an ihm wieder groß geworden. Gerade die britische Version hat den Hype um den Ermittler ebenso wieder angefacht wie zwei Pastiche-Verfilmungen von Guy Richie mit Robert Downey jr. All dies ändert aber nicht an der Tatsache, dass das Haus des Detektiven nicht existent ist. In der Schaffensperiode Holmes’ endete die Baker Street bei der Hausnummer 85. Seither wurde sie zwar verlängert und reicht heute bis zur Nummer 239. Das Gebäude, das die 221 enthält, wurde 1932 von der Abbey National erbaut, die zeitweise einen eigenen Angestellten zur Beantwortung der Briefe an diese Adresse beschäftigte. Seit 1990 gibt es zwar eine Plakette mit der berühmten Adresse, doch gehört diese zum Sherlock Holmes Museum, dass zwar in der Baker Street liegt, doch die „falsche“ Adresse zwischen 237 und 241 hat.

221b Baker Street

Den jüngsten Ort, den uns die Filmgeschichte hierzu geschenkt hat und der trotz aller Fiktionalität zum Besuchermagneten geworden ist, ist ein Bahnhofsgleis. Kings Cross ist eine der alten Bahnstationen Londons, von der die Züge in Richtung Norden abgehen. Für Harry Potter ist der Bahnhof die erste Station für die Bahnfahrt nach Hogwarth. Dort nutzt er das geheime Gleis 9 ¾. Im Gegensatz allerdings zu den beiden Orten zuvor hat es die britische Bahn noch nicht gewagt, dieses Gleis zu gestalten. Allerdings wurden verschiedene Szenen im Bahnhof gedreht und inzwischen erinnert eine Installation an den Helden. In der Wand, die Gleis Acht vom Gleis Neun (in einem Nebengebäude) trennt, steckt ein Kofferwagen – Symbol dafür, dass Harry in der Wand verschwindet.

Kings Cross - Harry Potter

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o.kettmann Januar 24, 2014 Allgemein