Italien und ein Amerikaner

Landschaften können Menschen verzaubern – unabhängig davon, welcher Profession sie nachgehen. Sie können aber auch ganz unterschiedlich in Szene gesetzt werden. Das dabei Kino und Buch häufig auseinanderklaffen, ergibt sich aus den Unterschieden der Medien. Ebenso ist literarisches Erzählen anders als filmisches. Gleichwohl ist es verblüffend, wenn man darauf schaut, wie ein italienisches Mittelgebirge von Martin Booths Roman in den Krimi „Der Amerikaner“ mit George Clooney übersetzt wird.

Gravina

Martin Booth entwickelt in seinem Roman „A very Private Gentleman“ rund um einen Waffenschmied in ruhigen Bildern eine italienische Landschaft. Obschon diese nicht eingegrenzt wird, entsteht vor dem Auge ein Mittelgebirge, in dessen Hügeln eine klassische Universitätsstadt eingebettet ist. Gravina, das auch aus „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ deutschen Kinogänger vertraut ist, kommt einem ebenso vor das Auge wie Potenza. Die Landschaft ist von Booth so gestaltet, dass Schluchten und Städte als Fluchtorte dienen können. Gleichzeitig entsteht eine Athmosphäre, die die gesamte Geschichte prägt. Schon aufgrund der Landschaft und natürlich auch der Menschen in ihr – allen voran der Priester und die schöne Studentin – wird verständlich, dass der Erzähler sein letztes Gewehr bauen und sich dann hier ansiedeln will.

Bemerkenswert ist dabei, in welche Detailfülle der Autor die Orte beschreibt. Natürlich muss der Schmied qua Profession darauf achten, dass er über jeden Platz, an dem er sich aufhält, die Kontrolle behält. So entsteht eine faszinierende Mischung aus klaustrophobischer Neurose und romantischer Wildheit. Besonders kommt dies am Schießplatz zur Geltung, ein weit abseits gelegenes altes und verlassenes Dorf. Nach umfangreichen Inspektionen aus allen Winkeln probiert er dort zunächst allein, dann mit seiner Kundin die neue Waffe aus. Mit ähnlicher Akribie geht man gemeinsam mit dem Erzähler durch die Universitätsstadt und blickt vom Balkon seiner Wohnung im zweiten Stock einer bürgerlichen Villa auf die Stadt mit seiner Kirche und den Plätzen.

MCM20027

Anton Corbijn lässt in seiner Verfilmung des Romans 2010, in der George Clooney den Waffenschmied spielt, ebenfalls eine besondere und gelungene poetische Athmosphäre entstehen. Diese lebt – filmisch und dramaturgisch verständlich – aber nicht von der Landschaft. Natürlich zeigt der Film die Schönheit der Abruzzen, wo in Solmona und Castel del Monte gedreht wurde. Gleichwohl bleiben die Orte im Hintergrund, sodass sich die besondere Magie, die im Buch deutlich wird, auf der Leinwand nicht entfalten kann. Dies zeigen auch einige sehr markante Änderungen. So wird das verlassene Dorf zu einem Fluss, die Universitätsstadt zu einem winzigen Dorf. Der Film zieht seine Spannung aus den beiden unterschiedlichen Frauen: die Studentin Klara, die in den Schmied lebensfroh verliebt ist und so in seinen Bann zieht, und die Kundin Mathilde, die am Ende tot auf dem Pflaster der Stadt liegt. Dass Corbijn dann als erfahrener Fotograf über wundervolle Bilder eine perfekte Dichte erzielt, macht den Film auf andere Weise sehenswert.

The American 2

Diese beiden unterschiedlichen Ansätze verdeutlichen für mich auf sehr spannende Weise einen Zugang zu Landschaft. So entstehen zwei Geschichten, die man jeweils durch eine völlig andere Brille betrachtet – beide sind gleich und doch verschieden.

 

Bilder: Copyright bei Universal (für das vierte Bild), Italien Tourismus für die weiteren Bilder

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o.kettmann Juni 18, 2014 Allgemein