Ein Klassiker mit Langzeitwirkung

Ende der 40er Jahre wurde im Nachkriegswien ein Film gedreht, der zum besten britischen Film gewählt wurde und in vielen Dingen bis heute nachwirkt – die Musik von Anton Karras gehört dazu, die impressionistische Kameraführung, Orson Welles und das dramatische Finale in der Kanalisation der Stadt Wien. In der Hauptstadt Österreichs wirkt er bis heute nach.

Die Geschichte um den abgehalfterten Groschenheftautor Holly Martin und seinen Freund Harry Lime, der inzwischen als Medikamentenschieber kriminelle Karriere gemacht hat, wurde im Nachkriegswien 1948 verfilmt. Die Frage nach Freundschaft und Verrat, die ambivalenten Beziehungen zwischen den beiden Freunden und Anna und die spannende Geschichte hätten genügend Potenzial für einen guten Film. Hinzu kommen aber die Oscar-prämierte Kameraführung von Robert Krasker und das Harry-Lime-Thema, das bis heute zu einem der Klassiker der Filmmusik zählt. Entsprechend hoch ist bis heute der Zuspruch zu diesem Thriller, der von britischen Kritikern zum besten Film der britischen Filmgeschichte gewählt wurde.

Der Film zeigt aber auch in sehr typischer Weise das vom Krieg zerstörte Wien der späten 40er Jahre. Schutthaufen wechseln sich mit pompösen Stadthäusern ab. Zerstörung und Wiederaufbau liegen nahe beieinander. Eines der markanten Gebäude und ein schönes Beispiel für das klassizistische Wien ist das Palais Pallavicini – im Film das Haus Harry Limes. Vor diesem Haus wird sein Tod fingiert. Holly und Anna werden im opulenten Inneren nach Spuren fahnden und Paul Hörbiger gibt in perfekter Weise den Portier des Hauses. Seine Auskünfte decken Widersprüche auf und bestärken Holly Martin darin, weitere Nachforschungen anzustellen.

Der Dritte Mann - Palais 2

Ein weiteres Beispiel ist der Traditionsplatz Am Hof. Hier steht die – für den Film extra aufgebaute – Litfasssäule, über die Harry Lime in die Kanalisation einsteigt und der Polizei entkommt. Hinzu kommen eine Vielzahl weiterer Orte in der Innenstadt und natürlich das Riesenrad im Prater, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits wieder in Betrieb war. In einer zentralen Szene erklärt Harry Lime seinem Freund zynisch den Sinn des Krieges als dem Vater aller Dinge. Hinzu kommen der Wiener Zentralfriedhof, der Josefsplatz und verschiedene Orte der historischen Innenstadt. Höhepunkt des Films ist aber die Verfolgungsjagd in der Kanalisation, an dessen Ende Harry Lime stirbt.

Der Dritte Mann - Im HOf 1

Bis heute ermöglicht der Film einen anderen Blick auf Wien, der sich nicht an Franz Joseph und Sissi, dem Heurigen oder Mozart orientiert. Der morbide Charme der Stadt entfaltet sich im „Dritten Mann“ nicht nur über die Charaktere Baron Kurz und Dr. Winkel. Auch die feuchten Straßen und Gassen und die dunkle Optik entfalten eine ganz eigene und wenig glanzvolle Atmosphäre. So wird der Film in Wien von Touristikern als sehr typisch für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg gesehen und auf vielfältige Weise rezipiert.

Bemerkenswert dürfte in Zeiten digitaler Medien sein, dass der Film bis heute erfolgreich in Wien im Kino gezeigt wird. Drei Mal in der Woche zeigt das Burgkino den Film in der Originalversion. Ebenso gibt es natürlich in Wien verschiedene Drehortführungen. Vienna Walks führt täglich die verschiedensten Gruppen zu den oberirdischen Drehorten. Die Besucher reichen dabei von Schülergruppen bis zu Filmbegeisterten. Besonders ist dabei, dass diese Touren teils mit dem Wien der Nachkriegszeit inhaltlich verknüpft sind. Diesen Ansatz wählt auch das „Dritte Mann Museum“ , in dem über 2000 Exponate zum Film gezeigt werden – unter anderem die Filmzither von Anton Karas.

Der Dritte Mann - Kanalisation 1

Der Untergrund ist hingegen der Stadt Wien vorbehalten. Wien Kanal organisiert seit Jahren geführte Touren durch die Kanalisation. Ca. 17.000 Besucher sind auf diese Weise im vergangenen den letzten Spuren Harry Limes gefolgt.

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o.kettmann Juni 3, 2013 Allgemein