Wie kommt der Ort zum Film? – Teil 2
Nachdem Christian Dosch im ersten Teil des Interviews vor allem die allgemeinen Aspekte der Drehortsuche beschrieb, soll es im zweiten Teil darum gehen, wie die Zusammenarbeit zwischen Filmproduktion und dem Ort gestaltet werden kann. Die Anwesenheit vor Ort bietet, wie viele Beispiele zeigen, sehr gute Möglichkeiten zur Vermarktung.
Otto Kettmann: Wenn Locations mit einer Filmproduktion zusammenarbeiten, gibt es sicherlich Regeln. Was ist erlaubt – was ist verboten?
Christian Dosch: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Entscheidend wird sein, in welcher Rolle man der Produktion gegenüber tritt. Nehmen wir mal ein Beispiel: Sie vermieten als Eigentümer gegen eine Motivmiete ihre repräsentative Villa an eine Filmproduktion. In dem Moment sind Sie (wie viele andere auch) Dienstleister, werden für die Dienstleistung bezahlt und sollten diese im eigenen Interesse ja möglichst so erbringen, dass Sie als attraktiver Drehort wahrgenommen werden. Die Vermietung kann dann durchaus zum lukrativen Nebenerwerb werden. Gleichzeitig wäre es etwas vermessen in dieser Position einen Anspruch auf inhaltliche oder kreative Mitbestimmung z.B. am Drehbuch oder an Kameraeinstellungen zu erheben, d.h. das wäre “verboten”. Dies gilt auch dann, wenn Sie der Produktion bei der Motivmiete einen Rabatt einräumen.
Otto Kettmann: Wann könnte denn Einfluss genommen werden?
Christian Dosch: Lassen Sie mich das an einem anderen Beispiel verdeutlichen. Sie haben ein Weingut und erfahren, dass über eine Winzerserie nachgedacht wird. Daher setzen Sie sich frühzeitig mit dem Drehbuchautoren in Verbindung. Sie laden diesen ein, entwickeln gemeinsam Geschichten und führen ihn zu inspirierenden Orten. Anschließend “packagen” Sie das Projekt gemeinsam mit einem Filmproduzenten, einem Verleiher und vielleicht auch einem TV-Sender oder anderen Vermarktern. Aufgrund Ihres Interesses steigen Sie – nachdem Sie die Stoffentwicklung mitfinanziert haben – selbst als Ko-Produzent finanziell in das Projekt ein. In diesem Fall ist Ihre Position und Rolle in dem Filmprojekt natürlich eine ganz andere, sie gestalten das Projekt inhaltlich mit. Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die diesen oder einen ähnlichen Weg gehen, und z.B. “Branded Shorts” für das Internet entwickeln. “Branded Locations” wäre da sicher eine spannende Weiterentwicklung.
Otto Kettmann: Wie sollten die Verantwortlichen eines Ortes mit einem Drehteam umgehen?
Christian Dosch: Die Frage darf man sicher nicht nur in eine Richtung stellen. Es geht ja immer um das Miteinander. Also darum, wie das Filmteam auf die Motivgeber zu geht und wie die Motivgeber auf das Filmteam reagieren. Der Umgang miteinander ist dann ja ein Ping-Pong-Spiel. Entscheidend für die Motivgeber ist es sicher, anzuerkennen, dass Dreharbeiten und Drehteams völlig andere Dynamiken, Unsicherheiten und Bedürfnisse haben als andere Nutzer. Drehteams müssen viele Kleinigkeiten vorab im Detail abklären, brauchen eine gewisse Flexibilität in den Nutzungszeiten und der Nutzungsdauer, kämpfen oft mit Zeitmangel und sind entsprechend unter Druck und in der Regel sind die Zuständigkeiten von außen schwer nachvollziehbar. Der Umgang miteinander wird sehr viel einfacher, wenn man in der Drehvorbereitung mit den Aufnahmeleitern intensiv und offen das Gespräch sucht, um die Erwartungen und Schwierigkeiten auf beiden Seiten abzuklären. Unerfahrene Motivgeber greifen hier manchmal auch gerne auf Checklisten zurück, die wir gerne auf Anfrage zur Verfügung stellen.
Otto Kettmann: Wer hilft einem, wenn man den Film für das eigene Marketing nutzen möchte?
Christian Dosch: Wenn Sie beabsichtigen, einen Film für das eigene Marketing zu nutzen, so sollten Sie dies möglichst früh – am Besten vor Abschluss eines Motivvertrags und auf jeden Fall vor den Dreharbeiten – mit der Produktion thematisieren. Sonst ist die Enttäuschung danach eventuell groß, wenn eine Nutzung von Filmmaterial für Marketingzwecke nicht möglich ist, z.B. weil der Verleih oder der Fernsehsender kein Interesse daran hat oder die entsprechenden Nutzungsrechte bereits anderweitig vergeben wurden. Sie sollten dies auf keinen Fall als Selbstverständlichkeit annehmen. Wenn dies geklärt ist, geben Ihnen die regionalen Film Commissions sicher gerne einen ersten Ratschlag zu den Marketingpotentialen. Zudem könnte – basierend auf dem konkreten Filmprojekt – natürlich auch die Hausagentur eine Marketingkonzept entwickeln. Für größere Marketing-Aktivitäten wie Filmtouren zu Drehorten, Drehort-Landkarten, Sightseeing-Drehort-Apps, … haben sich mittlerweile spezialisierte Dienstleister und Berater am Markt etabliert.
Otto Kettmann: Herr Dosch – ganz herzlichen Dank für das Interview.
o.kettmann Mai 22, 2012 Allgemein