Ein Kloster im Namen der Rose

Vor fast 30 Jahre machte Bernd Eichinger Jean-Jacques Annaud auf ein Kloster im Rheingau aufmerksam. Der französische Regisseur suchte für die Verfilmung des Buches „Der Name der Rose“ von Umberto Eco ein passendes Kloster. Der Hinweis seines Produzenten führte ihn in das Rheingau, wo er mit dem Kloster Eberbach den perfekten Ort für die Atmosphäre fand, die das Buch und den Film so sehr prägten. Bis heute wirkt dieser Film nach und hat für den Ort einen neuen, eigenen Geschäftszweig geschaffen.

Das Kloster Eberbach, heute als Stiftung betrieben, ist eines der Kleinode im Rheingau. Seiner Ursprünge reichen bis in das 12. Jahrhundert, in dem das Kloster durch Zisterzienser gegründet wurde. Die imposante Anlage ist weithin berühmt. 1803 wurde das Kloster aufgehoben, diente lange Jahre karitativen Zwecken und ging nach dem 2. Weltkrieg in hessisches Staatsvermögen über. 1998 wurde es in eine Stiftung überführt, die heute das Kloster betreibt. Mit dem Film von Jean-Jaques Annaud, der weltweit erfolgreich war, wurde das Kloster dann auch für die Filmwelt ein Begriff. Seither nimmt der Strom von Touristen, die die düsteren und den Film prägenden Originalschauplätze des Filmes sehen wollen, nicht ab. Noch heute führt jede Ausstrahlung des Film im Fernsehen  (zuletzt im Dezember 2011 auf ARTE) zu einer signifikanten Steigerung der Clicks auf der Homepage.

Die ungebrochene Popularität ist bis heute daran spürbar, dass die Angebote des Klosters zum Film vom Publikum ausnehmend gut angenommen werden. Insbesondere die Themenführungen erfreuen sich einer hohen Beliebtheit. Sie werden durch einen der wenigen durchgeführt, die die Dreharbeiten erlebt haben. Besonderes Highlight sind die Vorführungen des Filmes in der Basilika, die jeweils Anfang September im Rahmen eines Kinosommers stattfinden.

Dabei entsprechen die Orte im Kloster nur bedingt den Orten im Film, was aber nicht ungewöhnlich ist. Die große Kulisse, gerade mit dem drohend in den Himmel ragenden Bibliotheksturm, dem Castel del Monte in Apulien nachempfunden, musste von der Produktion nachgebaut werden. Doch die Hauptszenen wurden in Eberbach gedreht, wobei aber Original und Filmort durchaus voneinander abweichen. Der ehemalige Schlafsaal diente im Film als Schreibsaal, in dem William von Baskerville die ersten Hinweise auf die Mordserie findet. Das Hospital, heute Weinkeller, wurde passenderweise zum Refektorium, dem Speisesaal. Die Filmarbeiten ermöglichten es aber auch, dass nach fast 200 Jahren in der Basilika wieder – nach dem Einbau eines Chorgestühls – gregorianische Gesänge ertönten.

Der Film gab dem Kloster aber etwas Unverhofftes – einen zusätzlichen Geschäftszweig neben der Weinkellerei und dem Tourismus. Mit den Dreharbeiten und der schlagartigen Bekanntheit konnte die Klosterverwaltung beginnen, den Ort als Drehort zu vermieten. Hier tritt, unabhängig von öffentlichen Filmcommissions, das Kloster als eigenständiger Dienstleister auf, der Filmproduktionen unterschiedlicher Art Räumlichkeiten und Infrastruktur bereitstellt. So wurden in der Vergangenheit Projekte wie die ZDF-Dokumentationsreihe „Die Deutschen“, Reportagen und zuletzt als Großprojekt Margarete von Trottas „Hildegard von Bingen“ in Eberbach gedreht. Höhepunkte sind für den heutigen Stiftungsleiter Martin Blach aber Folgen der Terra X-Reihe Imperium, deren Moderation durch Maximilian Schell seit 2004 im Kloster Eberbach gedreht werden.

Dabei ist die Bekanntheit des Kloster hoch und wird zudem durch einen umfangreichen eigenen Bereich der Homepage ergänzt. Diese ist dann auch meist die Basis für den Erstkontakt einer Produktion, die auf das Kloster zukommt. Es folgt dann die Besichtigung vor Ort. Fällt die Entscheidung für das Kloster, kann dieses ein Rundumpaket anbieten – von den Räumlichkeiten über die Infrastruktur bis zum Catering und der Bereitstellung von Unterkünften in der Region. Hier sind – anders als man vermuten könnte – Vergünstigungen nicht möglich. Zum einen darf das Kloster als Stiftung auf mögliche Einnahmen nicht verzichten. Zum anderen führt seine Bekanntheit und das filmische Potenzial dazu, dass es über ein Location Placement keinen besonderen kommunikativen Nutzen erzielen kann. So fühlt es sich in der Rolle eines regulären Motivanbieters sehr wohl.

Für den Geschäftsführer der Stiftung ist es faszinierend, wie der Film Annauds bis heute nachwirkt. Inzwischen gibt es keine Mitarbeiter mehr, die die Filmarbeiten erlebten. Der seinerzeitige Stiftungsleiter, der heute noch die Führungen durchführt, macht dieses auf freiberuflicher Basis. Gleichwohl ist „Der Name der Rose“ unverändert eine emotionale Klammer für die Mitarbeiter im Kloster. So ist die Prägung eine wechselseitige – vom Kloster auf den Film und umgekehrt.

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o.kettmann August 17, 2012 Allgemein, Filme, Orte