Das Goldene Horn

Der Sommer bringt Wiederholungen mit sich – teils jüngeren, teils älteren Datums. Vor einigen Tagen hatten Sir Peter Ustinov und Erol Sander etwas gemeinsam. Ich meine natürlich nicht die schauspielerische Kunst der beiden. Ein solcher Vergleich wäre eine Beleidigung für den Briten. Aber sie waren in den Filmen, die sie zeigten, in einer Stadt unterwegs, die an der Schwelle zwischen zwei Kulturen steht: Istanbul. Während der eine in „Topkapi“ auf der Seite der Verbrecher steht, ist der andere für die ARD in „Mordkommission Istanbul“ zurück in seine Heimatstadt gekehrt.

Die Stadt am Goldenen Horn hat natürlich als Filmstadt nicht die Tradition, wie sie anderen europäischen Metropolen zukommt. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die türkische Filmgeschichte erst später beginnt. Seit den 50er Jahren aber ist die Stadt nicht nur Standort von türkischen Filmproduktionen, die ähnlich wie in anderen Ländern vor Ort drehen. Die Reiz des Exotischen und die Schwelle zwischen Orient und Okzident führen seit den 60er Jahren zunehmend internationale Teams in die Stadt.

Topkapi 3

Einer der ersten typischen Beispiele hierfür ist sicherlich „Topkapi“ (1964), in dem ein Gaunertrio versucht, aus dem gleichnamigen Palast einen wertvollen Dolch zu stehlen. Der Höhepunkt des Filmes ist der Raub, bei dem die Bande zunächst aus dem Innenhof des geschlossenen Museums über dessen Dächer klettert. Von dort steigt einer der Diebe ab, um den Dolch in seiner Vitrine zu tauschen. Die Szene unterstreicht durch die tolpatschige Art Peter Ustinovs, der zudem an Höhenangst leidet, den Stil des Films, der nicht nur eine Gaunerkomödie ist, sondern durch verschiedene Zuspitzungen dieses Genre auch persifliert.

Liebesgrüße aus Moskau 2

In den Zeiten des Kalten Krieges, aber auch danach, ist die Stadt oftmals eine Kulisse für spannungsgeladene Spionagefilme, bei denen sich die Protagonisten um die Welt jagen. Drei Mal gibt James Bond ein Gastspiel in der Stadt. Bereits im zweiten Film der Reihe „Liebesgrüße aus Moskau“ spielt eine der zentralen Szenen in der sowjetischen Botschaft in der Türkei. Von dort gelingt es Bond, eine gestohlene Dechiffriermaschine zurück zu holen. Unterstützung erhält er dabei von Kerim Bei, einem alten Gefährten. Die Hagia Sophia, der ägyptische Markt und das Goldene Horn sorgen für die Exotik, die ein Teil des Erfolgs dieser Reihe ist. In „Die Welt ist nicht genug“ wird der Bosporus zum zentralen Element des Films. Bonds Gegenspielerin Elektra King möchte diesen mit einem Leck geschlagenen U-Boot verseuchen und so zur Monopolistin des Öltransports mit ihren Pipelines werden. Allerdings wurde hier nur Footage gedreht. Der Leanderturm, in dem Bond fast von Elektra gemeuchelt wird, wurde in den Pinewood Studios nachgebaut. Der eher kurze Auftritt im letzten Bond, „Skyfall“, war eine Reminiszenz an den Schöpfer der Figur. Laut der Produzenten Barbara Broccoli war die Stadt die Lieblingsstadt Ian Flemings.

Leanderturm

Ein besonderes Verhältnis hat Deutschland zu dieser Stadt, ist doch die Türkei schon aufgrund der Größe der türkischstämmigen Minderheit hierzulande eine besondere Größe. Dabei ist die Bandbreite hoch. Die ARD nähert sich der Stadt seit einigen Jahren mit einer eigenen Krimireihe und hat sie damit in die Tradition von Venedig, Triest oder Paris gestellt, von den deutschen Provinzstädten abgesehen. Seit 2008 deckt in inzwischen neun Folgen Mehmet Özakin, gespielt vom Istanbuler Deutsch-Türken Erol Sander, Morde in dieser Stadt auf. Die Filme werden vor Ort gedreht und weisen ein entsprechendes Lokalkolorit.

Mordkommission Istanbul 1

Einen völlig anderen Zugang zu der Stadt nimmt ein anderer Deutsch-Türke – Fatih Akim. Der Regisseur hatte mit „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ zwei Filme geschaffen, die nicht nur von der Kritik hoch gelobt und international vielfach ausgezeichnet wurden. Mit den Filmen werden auch die Fragen nach der Identität von Türken gestellt, die seit Jahren in Deutschland wohnen und zwischen den Kulturen leben. Istanbul ist hier nicht folkloristisches Beiwerk oder ein exotischer Schauplatz. Die Stadt wird als moderne Metropole gezeigt. Sibel zieht hierher, um in ihrer Trauer einem wilden Leben zu frönen und dann nach einer Vergewaltigung neu beginnt. „Auf der anderen Seite“ ist nicht nur die Stadt Istanbul, sondern in vielfältiger Form die Metapher auf die Wandlungen, die verschiedene Menschen in und durch diese Stadt erleiden. Heimat ist hier, so der Spiegel, ein Fenster, durch das es sich bequem in die Welt schauen lässt.

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o.kettmann August 30, 2013 Allgemein